#66 - Ironman 70.3 in Zell am See - Kaprun


Meine allererste mitteldistanz

Unglaublich, dass meine Mitteldistanz-Premiere im Rahmen des Ironman 70.3 in Zell am See - Kaprun schon über ein Monat her ist! Ebenso unglaublich ist allerdings auch, dass ich es bislang nicht geschafft habe, meinen Nachbericht fertigzustellen und somit meine Eindrücke und Erlebnisse mit allen zu teilen, die es gern etwas ausführlicher haben. Nach einem halben Jahr Vorbereitung war es am 29. August endlich soweit. Die Bedingungen am Renntag waren zwar nicht ideal – aber ich denke, ich habe das Beste aus diesem Tag gemacht, und das vor einer traumhaften Kulisse und in Begleitung der wichtigsten Menschen in meinem Leben. Hier gibt's nun endlich den Bericht:


Rückblick: Das Training

Auf die sechsmonatige Vorbereitungszeit blicke ich auf jeden Fall sehr zufrieden zurück. Covid-bedingt konnte ich vor Zell am See zwar nur einen Triathlon-Wettkampf nach über 1,5 Jahren Pause absolvieren, der lief aber super und gab mir das Gefühl, zumindest grundsätzlich nichts verlernt zu haben :-). Absolut perfekt war natürlich die Betreuung durch Hubert, der für meinen Trainingsplan verantwortlich war und das Training stets auf meine Bedürfnisse (Kreta-Urlaub, Jobwechsel,...) abgestimmt hat. Ende Juni dann der Schock: Nachdem mein Knie (wieder einmal) Probleme machte, vermutete mein (Sport-)Arzt aufgrund der Vorgeschichte und der Symptome ein Knochenmarködem. Dies hätte zur Folge gehabt, dass Laufen ab sofort und für längere Zeit verboten gewesen wäre ... und gleichzeitig auch bedeutet hätte, dass ein Start bei einer Mitteldistanz absolut unmöglich gewesen wäre. Hätte, wäre ... – der Verdacht hat sich glücklicherweise am Ende nach einem MRI nicht bestätigt, das Problem war "nur" der Knorpelschaden am Knie, der bereits vor zwei Jahren diagnostiziert wurde. Wir gingen also im Training "einen Schritt zurück", und mit verringerten Laufumfängen bzw. langsamer Steigerung, Physiotherapie und Dehn-Übungen konnte das Training wieder fortgesetzt werden. Was ich daraus gelernt habe: Auf den Trainer und vor allem den eigenen Körper hören schadet überhaupt nicht ;-)! Bis auf eine 10-tägige Pause durch einen ordentlichen grippalen Infekt gab es ab seither dann glücklicherweise keine Zwischenfälle mehr und auch bei der "Generalprobe" (90 km Rad und 21 km Koppellauf, wenn auch nicht im Renntempo) hielt das Knie perfekt. Meinem Start in Zell am See stand also nichts mehr im Wege!


Sommer, wo bist du?

Natürlich muss man, wenn man beim einem Triathlon in Salzburg bzw. Zell am See starten möchte, wettermäßig mit so ziemlich allem rechnen. 2018 musste beispielsweise das Radfahren abgesagt und das Rennen auf einen Aquathlon (Schwimmen + Laufen) umgestellt werden, da der Abschnitt über den Filzensattel nach nächtlichem Schneefall zu gefährlich war. Auch in meiner Vorbereitungszeit war das Wetter natürlich nicht immer perfekt, dennoch hoffte ich auf möglichst gutes, gerne auch durchaus etwas wärmeres, Wetter. Meine Wünsche sollten jedoch vom Wettergott weitgehend ignoriert werden: Schon einige Tage zuvor zeichnete sich ein sehr kühles, windiges Wetter mit viel Regen ab ... und die Prognosen wurden eigentlich immer noch schlechter. Fast stündlich durchforstete ich die diversen Wetterberichte auf der Suche nach einem Lichtblick und überlegte mir immer wieder neue "Bekleidungs-Strategien".


Ab nach Zell am See

Am Freitag ging es dann gegen Mittag mit einem vollgepackten Auto ab in den Pinzgau. Untergebracht waren wir im Hotel Antonius in Kaprun, wo wir großartig ver- und umsorgt wurden. Am Samstag holte ich nach einem kurzen Nüchternlauf dann in Zell am See meine Startunterlagen ab und fuhr noch ein paar Kilometer im Regen am Rad ... auf das "Einschwimmen" verzichtete ich, da ich eigentlich gar nicht wirklich wissen wollte, wie kalt es werden würde und vor allem keine Verkühlung riskieren durfte. Am Nachmittag musste ich auch schon das Rennrad und meine Säcke mit der Rad- und Laufbekleidung in die Wechselzone "einchecken". Anschließend stand etwas Erholung im Wellnessbereich am Programm und abends eine große Portion Nudeln, bevor wir es uns vor dem Fernseher gemütlich machten und natürlich früh ins Bett gingen.


IT's Race day!

In der Nacht vor dem Rennen habe ich ehrlich gesagt nicht besonders gut geschlafen. Draußen schüttete es in Strömen und mit jedem Liter Regen wuchs auch meine Verzweiflung. Würde ich das bei diesem Wetter schaffen können? Wie würde ich mit einer Absage des Radfahrens umgehen, dann hätte ich ja gar keinen Triathlon absolviert und umsonst so viel am Rad trainiert?

 

Der Start war erst ab 11:00 Uhr, sodass wir gemütlich und stressfrei frühstücken konnten. Das Wetter war leider nach wie vor schlecht, wenngleich der Regen eventuell etwas weniger geworden war. Als wir mit dem Shuttle vom Parkplatz in Richtung Wechselzone fuhre, wo ich meine Trinkflaschen am Rad noch befüllte und ein paar zusätzliche Kleidungsstücke in die Säcke packte, war ich mit der Situation total überfordert: Es hatte 8 Grad, regnete, der Wind wehte, sodass der Regen eher von der Seite als von oben kam, die Wiese, auf der die Wechselzone aufgebaut war, stand an einigen Stellen unter Wasser und ich konnte mir schlichtweg nicht vorstellen, meine einigermaßen warme Kleidung gegen Triathlon- und Neopren-Anzug zu tauschen. Geschweige denn, in's Wasser zu gehen, das optisch aufgrund der Wellen eher einem Meer glich. Unzählige Sportler, die teilweise wirklich fit und erfahren aussahen, checkten ihre Räder gerade wieder aus, verzichteten somit auf einen Start und machten sich auf den Heimweg. Der Moderator versuchte währenddessen, die Motivation unter den Teilnehmern hochzuhalten, bat aber auch darum, sich zu überlegen, ob man diesen Bedingungen auch tatsächlich gewachsen sei. Es gehöre schließlich auch viel dazu, sich gegen einen Start zu entscheiden. Und wieder fragte auch ich mich: War ICH dieser Situation gewachsen? Irgendwann zog ich mich dann aber doch in einem überfüllten, aber trockenen Zelt um, ließ vorerst meine dicken Socken und die wasserdichten Laufschuhe an und war ein bisschen erleichtert darüber, dass den anderen Teilnehmern wohl dieselben Gedanken durch den Kopf gingen, wie mir.

 

Als dann meine Eltern und meine beste Freundin Verena, die mich gemeinsam mit Flo (der natürlich seit Freitag mit mir schon vor Ort war) anfeuern wollten, ankamen und es sich zum Glück ganz knapp noch ausging, dass ich mich "verabschieden" konnte, flossen dann kurzzeitig doch die Tränen bei mir. Ich weiß, dass Triathlon eine Outdoor-Sportart ist und auch so ein Wetter dazugehört, aber in diesem Moment war ich einfach unglaublich enttäuscht darüber, dass an dem Tag, auf den ich so lange hintrainiert hatte, die Bedingungen so dermaßen mies waren, dass ich nicht einmal sicher war, ob ich es überhaupt ins Ziel schaffen würde. Ich hatte Angst, irgendwo auf der Radstrecke einfach aufgrund der kühlen Temperaturen keine Kraft mehr zu haben und aufgeben zu müssen (wie würde ich dann jemals zurück nach Zell am See kommen?), oder – noch schlimmer – bei der Abfahrt vom Filzensattel zu stürzen oder unverschuldet in einen Sturz verwickelt zu werden. Mein "Fanclub" aber hat es in diesem Moment aber zum Glück geschafft, mich zumindest soweit zu motivieren, dass ich beschloss, es einfach zu versuchen. 


#01: Schwimmen

Am Schwimmstart hatte ich das Glück, zwei sehr nette andere Sportler kennenzulernen: Ein Mann, der vermutlich Mitte 40 war und nach einem Unfall vor einigen Jahren (und fast einem Jahr im Rollstuhl!) einfach dankbar war, überhaupt wieder einen Triathlon bestreiten zu können, und ein Mädl, das wohl ungefähr in meinem Alter war und meine Ängste teilte. So verging die Wartezeit relativ schnell und schon war ich an der Startlinie und wurde gleichzeitig mit ein paar anderen ins Wasser gelassen. Zu meiner Überraschung war der See bei weitem nicht so kalt, wie ich befürchtet hatte, aber die Wellen waren schon ganz ordentlich spürbar. Ich brauchte ein paar Sekunden, bis ich mich daran gewöhnt hatte und loskraulen konnte. Nach 39:54 Minuten war die erste Disziplin abgeschlossen – in Anbetracht der Wellen, die auch durch einige Rettungseinsätze mit Motorbooten verstärkt worden waren, war ich absolut zufrieden mit dieser Zeit.


die wechselzone: neue erfahrungen.

 Über die sogenannte "vierte Disziplin", nämlich den Wechsel zwischen den Sportarten, habe ich bislang eigentlich noch nie Worte verloren, da immer alles problemlos lief. An diesem Tag aber wurde ich mit neuen Herausforderungen konfrontiert: Ich musste auf die Toilette. Leider waren die Dixi-Klos am Beginn der Wechselzone positioniert und die Distanz zu meinem Platz war weit ... und ich hatte keine Ahnung, ob am Ausgang ebenfalls solche Anlagen stehen würden. Also half alles nichts: Runter mit dem Neoprenanzug und dem Triathlonanzug und danach alles wieder anziehen (den Neoprenanzug darf man nämlich laut Wettkampfordnung bis zum eigenen Platz in der Wechselzone nur hüfthoch herunterziehen), was in einem – zugegebenermaßen weder großen noch hygienischen - Dixiklo nur schwer möglich ist. 

 

Hatte ich da nun schon einiges an Zeit verloren, war ich dann auch wenig später an meinem Wechselplatz absolut überfordert mit den verschiedenen Bekleidungsschichten, die ich zur Wahl hatte. Die Beinlinge zog ich an ... und wieder aus. In meinem Umfeld hatte nämlich niemand Beinlinge an und mir war in diesem Moment eigentlich auch nicht wirklich kalt ... später auf der Radstrecke hätte ich sie dann doch gerne angehabt, in jedem Fall wäre mir niemals zu warm geworden. Ich weiß selbst nicht, was ich mir in diesem Moment dabei gedacht habe :-). Für den Oberkörper entschied ich mich (zusätzlich zum Triathlonanzug, den ich ja schon seit dem Start anhatte) vernünftigerweise für Ärmlinge, eine wind- und regenabweisende Jacke und eine Windweste. Schnell (haha) noch die Radhandschuhe an, den Helm auf den Kopf, Brille auf, Startnummer umgehängt ... und ab nach draußen. Unglaublich: Ich hatte tatsächlich über 10 Minuten vertrödelt! Irgendwie fand ich das aber in diesem Moment mehr amüsant, als ärgerlich ... ich hatte spätestens seit dem Dixiklo-Erlebnis irgendwie eine Art "Galgenhumor" entwickelt.


#02: Radfahren

 Bei der Ausfahrt aus der Wechselzone freute ich mich dann schon sehr über meinen "Fanclub", der mich lautstark anfeuerte. Der Regen hatte inzwischen deutlich nachgelassen und ich fühlte mich gut und bereit für meine "Angst-Disziplin". Die Strecke bis Lend war schnell vorbei, ab dort begann der Anstieg in Richtung Dienten und dann ging es weiter, bis hinauf zum Filzensattel. Ich kannte die Strecke und teilte mir meine Kraft gut ein, vielleicht war ich auch ein bisschen ZU gemütlich unterwegs ... der letzte Anstieg ist am Steilsten und ich fuhr auch an einigen Teilnehmern vorbei, die ihr Rad das letzte Stück hinaufschoben. Der Regen hatte übrigens mittlerweile aufgehört, die Straße war aber natürlich noch nass und bei der Abfahrt fuhr ich wirklich vorsichtig. Anschließend ging es hügelig und bei teilweise starkem Gegenwind zurück nach Zell am See. 90 Kilometer und rund 1.000 Höhenmeter waren somit nach 3:28:03 Stunden erledigt.


#03: Laufen

Der zweite Wechsel verlief deutlich schneller und ich startete motiviert in den Halbmarathon. Auf das Laufen habe ich mich an diesem Tag am meisten gefreut – ich wusste, dass ich diese Distanz easy schaffe, wenn ich es auf den ersten Kilometern nicht übertreibe. Deshalb zwang ich mich auch nach den ersten beiden, viel zu schnellen Kilometern, das Tempo zu verringern. Denn auch, wenn ich mich zu diesem Zeitpunkt super fühlte – endlich spürte ich zum ersten Mal seit dem Warten am Start in der kalten Wiese auch meine Füße wieder vollständig – so wusste ich, dass 21,1 Kilometer sehr mühsam und lang werden können, wenn einem "der Saft ausgeht". Meine Vernunft hat sich ausgezahlt: Abgesehen von kurzen Stopps für einen Schluck Wasser konnte ich problemlos durchlaufen und die Stimmung so richtig genießen. Nach der ersten Runde am See entlang lief man kurz durch die Stadt – die Stimmung dort war einfach nur genial, ich konnte es kaum erwarten, nach der zweiten Runde dort in Richtung Zielgerade einzubiegen.


Der (emotionale) Zieleinlauf

 Wer mich etwas besser kennt, der weiß, dass ich einen durchaus "nervösen" Magen habe und es schon mal passieren kann, dass ich in der Zielgerade zu würgen beginne (weitere Details erspare ich euch lieber). Das wollte ich an diesem Tag keinesfalls riskieren, also wurde ich am Ende der zweiten Runde nur minimal schneller. Im Zentrum von Zell am See gab es dann noch zwei ganz kurze Anstiege, ehe es in den langen Zielkanal ging.

 

Was dann passierte, sorgt bei mir noch jetzt für Gänsehaut: Nicht nur meine Eltern, Verena und Flo brüllten meinen Namen, sondern (zumindest gefühlt) alle Menschen, die dort standen. Sie trommelten mit den Händen gegen die Absperrungen und ich war zum zweiten Mal an diesem Tag emotional komplett überfordert. Ab durch den Zielbogen ... ich hatte es geschafft! Ebenfalls zum zweiten Mal an diesem Tag flossen auch ein paar Tränen, diesmal aus Erleichterung. Direkt hinter der Ziellinie wartete auch schon Marina, eine ganz liebe Freundin aus meiner Schulzeit, die beim Tourismusverband in Zell am See arbeitet. Kurz darauf konnte ich dann auch meine Eltern, Verena und Flo umarmen. Erst einige Zeit nach dem Zieleinlauf machten sich dann doch die "Strapazen" bemerkbar und ich war ganz schön froh, dass wir mit vereinten Kräften relativ schnell das Rad ins Auto verfrachten und uns auf den Heimweg machen konnten. Dort wurde ich dann von meiner Mama kurzerhand in die Sauna verfrachtet, bevor wir alle gemeinsam inkl. meinem Bruder, meiner Schwägerin und meiner Nichte bei Suppe, Pizza und Wein den Tag ausklingen ließen. 

Einfach nur dankbar

Auch, wenn bei besseren Bedingungen sicherlich eine deutlich bessere Zeit möglich gewesen wäre, ist mir das zum ersten Mal in meinem "Sportler-Leben" wirklich völlig egal: Denn viel mehr zählt für mich, dass ich bei diesen Bedingungen nicht die Nerven komplett weggeworfen (nur ganz kurz ;-)) habe. Der Moment am Schwimmstart, in dem ich festgestellt habe, dass das Wasser überhaupt nicht so kalt ist, wie befürchtet ... dieser Moment steht irgendwie für das gesamte Rennen. Letztendlich war auch das Wetter zumindest nicht ganz so schlimm, wie ursprünglich vorhergesagt ... manchmal muss man sich einfach wirklich überwinden. Am Ende bin ich einfach unendlich dankbar für diesen Tag und dafür, dass ich vor einigen Jahren (damals war es auch eine absolute Überwindung) meinen ersten Triathlon "einfach so" ohne Training gemacht habe und dadurch eine Sportart entdeckt habe, der mir solche Erlebnisse ermöglicht. 

 

Es war ganz sicher weder meine letzte Mitteldistanz, noch mein letzter Start in Zell am See. Für das nächste Mal gibt es einiges zu verbessern, der größte Faktor ist mit Sicherheit die richtige Ernährung während dem Wettkampf. Durch meine Fructose-Intoleranz erfordert das wohl doch noch einiges mehr an Optimierung - dass ich am Rad mit weniger als einem Liter Flüssigkeit (den Kräutertee mit Maltodextrin und Traubenzucker habe ich aber super vertragen!), rund 300 kcal in Form von Gels und beim Laufen mit ein paar Schlucken Wasser ausgekommen bin, war wohl der für mich einzige Vorteil des sehr kühlen Wetters. Das kann aber bei warmen Bedingungen definitiv zum Verhängnis werden und gehört eigentlich auch zu einer guten Vorbereitung dazu.

 

Mein Dank gilt natürlich in erster Linie meinen Eltern, Flo, Verena, Marina, Hubert ... und überhaupt allen, die mir die Daumen gehalten und mein Rennen mitverfolgt haben. Allein schon wegen euch hätte ich es mir niemals verziehen, wenn ich am Start gekniffen und es nicht zumindest versucht hätte.


*Der Startplatz wurde mir vom Tourismusverband Zell am See - Kaprun kostenlos zur Verfügung gestellt. Vielen Dank für diese Möglichkeit!

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Kommentare: 1
  • #1

    Paul(iii) (Mittwoch, 13 Oktober 2021 23:54)

    großartiger Bericht, ein wenig im Hemingway-Stil; Gratulation!