"Knapp vorbei ist auch daneben." - So könnte man in einem Satz relativ emotionslos mein Ergebnis beim Halbmarathon in Linz am vergangenen Wochenende betiteln. Direkt nach dem Zieleinlauf war ich nicht nur körperlich, sondern vor allem auch mental ziemlich fertig und vor allem verärgert darüber, dass ich im Grunde aus reiner Naivität mein Ziel von 1h 50 haarscharf verpasst habe. Mittlerweile muss ich aber doch gestehen, dass ich eigentlich recht zufrieden mit meiner Leistung bin, vor allem, wenn man die Vorgeschichte bedenkt - das nächste Ziel ist jedenfalls schon gesteckt und das Training kann - nach einer kurzen Regenerationspause - motiviert weitergehen!
geniale Atmosphäre am start
Ziemlich früh, genauer gesagt um 06:00 Uhr, ging es für uns am vergangenen Sonntag mit dem Auto von Salzburg nach Linz. Außer mir waren noch meine Mama und Mustafe angemeldet - nachdem man die Startunterlagen am Renntag vor Ort nicht mehr abholen konnte, hatte ich das bereits am Freitag erledigt. Trotzdem mussten wir ziemlich früh los, weil für Mustafe, der beim Viertelmarathon (10,5km) startete, der Startschuss bereits eine Stunde vor dem Halbmarathon fiel. Vor Ort war alles perfekt organisiert, wir parkten außerhalb und fuhren mit dem Shuttle zum Stadtbad, wo wir gleich unsere Sachen in der Garderobe in versperrbaren Kästen deponierten - und sie somit nicht in Säcken verpackt abgeben mussten. Das Wetter war absolut traumhaft - wir wärmten uns mit Langarmshirt und Jacken auf, weil es zunächst doch noch recht frisch war.
Go, Mustafe!
Da es dann doch relativ knapp mit der Zeit war, schickten wir Mustafe auf direktem Weg zum Aufwärmen in Richtung Start, bevor wir uns noch mit einem früheren Schulkollegen meiner Mama trafen. Pünktlich kurz vor dem Startschuss standen wir dann natürlich auch auf der Voest-Brücke, um den Start live mitzuerleben. Wir waren auch ziemlich erleichtert darüber, dass wir Mustafe in der ersten Reihe erkennen konnten, da wir uns natürlich schon Sorgen gemacht hatten, ob er es auch wirklich durch die Menschenmassen ganz nach vorne schaffen würde.
Cool war auch, dass wir direkt nach dem Startschuss feststellten, dass Peter Herzog, ebenfalls ein Salzburger, das Feld gemeinsam mit Mustafe anführte - Peter ist vor Kurzem in Graz bei den Halbmarathon-Staatsmeisterschaften auf Rang 3 gelaufen und einer der Wenigen, die noch schneller sind als Mustafe. So war es dann auch an diesem Tag - obwohl wir es durch unseren eigenen Start nicht live mitverfolgen konnten - lief Mustafe hinter Peter auf den zweiten Gesamtrang, mit einer Zeit von 33:50 Minuten!
Ready, set, go!
Für mich war es übrigens der größte Halbmarathon-Bewerb, an dem ich bisher teilgenommen habe. Dementsprechend war ich auch mit den Menschenmassen leicht überfordert und hatte absolut keine Ahnung, wo ich mich einreihen sollte, da es auch keine Richtzeiten im Startbereich gab. Irgendwie war ich dann auch ziemlich erleichtert, als endlich der Startschuss fiel - und wir uns zunächst langsam gehend in Richtung Startlinie bewegten.
Natürlich war ich ein bisschen nervös - auch deshalb, weil vor allem in den Tagen zuvor mein Schienbein (ich habe seit einigen Wochen ein sogenanntes "Schienbeinkanten-Syndrom", also eine Entzündung, die in meinem Fall auf der Waden-Innenseite knapp über dem Sprunggelenk ist) wieder ordentlich wehgetan hatte und ich nicht wusste, ob ich halbwegs schmerzfrei bleiben würde. Deshalb hab ich dann auch versucht, den Kopf auszuschalten - was ich aber nur zeitweise halbwegs hinbekommen habe.
Je mehr Kilometer ich aber hinter mir ließ, desto zuversichtlicher wurde ich, dass das Schienbein "halten" würde und ich eventuell tatsächlich unter 1:50 finishen könnte. Auch der regelmäßige, im Nachhinein gesehen vielleicht zu häufige, Blick auf die Uhr zeigte mir, dass ich absolut "on time" war. Die ersten Kilometer lief ich konsequent und relativ locker in einem Tempo von 5:05 Minuten/Kilometer und konnte auch die tolle Atmosphäre so richtig genießen.
it goes on, and on, and on ...
Kurz nach Kilometer 12 begann es dann doch, ein bisschen härter zu werden - inzwischen war es auch schon relativ warm, deshalb versuchte ich, bei jeder Labestation (alle 5km) zumindest ein paar Schlucke Wasser zu trinken und mir dabei Zeit zu lassen, um ja kein Seitenstechen zu bekommen. Das Schienbein spielte übrigens brav mit und ich hatte nach wie vor das Gefühl, das Tempo fortsetzen zu können.
Bei Kilometer 14 kam dann ein kleiner, mentaler Einbruch: Der Gedanke, eigentlich doch erst 2/3 der Strecke geschafft zu haben, machte mir ein wenig zu schaffen - und ich begann, eine (für mich) komplett neue Methode zu entwickeln, um fokussiert zu bleiben: Auch, wenn es für die Meisten vermutlich verdammt schräg klingt, so habe ich tatsächlich die letzten sieben Kilometer damit verbracht, immer von 1 bis 20 zu zählen, und dann wieder neu zu beginnen. So verhinderte ich, dass ich mich damit beschäftigte, dass meine Füße nun doch schon ziemlich schwer waren und auch mein Kopf mir immer wieder einreden wollte, dass ich auch einfach stehenbleiben und aufgeben könnte. - Ein mentales Problem, mit dem ich leider bei Läufen immer wieder zu kämpfen habe.
Durch diese Methode schaffte ich es aber dennoch, nur minimal an Geschwindigkeit zu verlieren, und lief mit einem Schnitt von 5:07 immer weiter in Richtung Ziel.
Der "fatale" fehler
Im Nachhinein gesehen, habe ich an dieser Stelle schlichtweg den Riesenfehler gemacht, mich zu sehr auf meine Uhr zu verlassen. Vermutlich wäre mir das im "Normalzustand" niemals passiert - aber ich war, sicherlich auch aufgrund des nicht allzu guten Trainingspensums, das ich zuvor absolviert hatte (aufgrund der Schienbein-Problematik hatte ich immer wieder pausieren müssen), einfach wirklich schon ein wenig erschöpft und einfach komplett auf die Uhr und den dort angezeigten Kilometer-Schnitt fixiert.
Vor dem Rennen hatte ich mir noch mithilfe eines Onlne-Rechners ausgerechnet, dass ich mit einem Tempo von 5:13 pro Kilometer exakt auf die angepeilten 1:50 Stunden kommen würde. Der Blick bei Kilometer 19 auf meine Suunto-Uhr zeigte mir, dass ich mit dem Schnitt von 5:09 mein Ziel locker erreichen würde - wenn ich nur nicht am Ende aufgrund von Übelkeit o.ä. (bei mir ein relativ großes Thema im Zieleinlauf, auch wieder eine "Kopfsache") extrem vom Tempo gehen müsste.
Somit entschied ich mich, mir an der letzten Labestation kurz vor Kilometer 20 nochmals die Zeit zu nehmen, um ein paar Schlucke Wasser zu trinken. - Ich wollte einfach sichergehen, dass es mir beim Zieleinlauf gutgehen würde und wusste, dass der lange Korridor entlang der Landstraße aufgrund der Menschenmassen und meiner Tendenz zur Übelkeit nochmal eine kleine Herausforderung für mich werden könnte. Somit nahm ich mir lieber ein wenig Zeit, um mich kurz zu erholen, um dann entspannt und vor allem erstmals unter 1:50 finishen zu können.
die enttäuschung im ziel
Wie gesagt, in dieser Situation wollte ich einfach nur mein Ziel erreichen, und habe mich darauf verlassen, dass mein Schnitt dafür leicht ausreichen würde. Und so kam es genauso, wie es kommen musste: Wenige hundert Meter vor dem Ziel stellte ich fest, dass zwar der Schnitt laut Uhr nach wie vor bei 5:09 lag, das Ziel allerdings zu weit entfernt war, um es vor einer Zeit von 1h 50 noch zu erreichen. In diesem Moment war ich in erster Linie schockiert, riss mich aber dennoch zusammen und gab nochmal ordentlich Gas. Es war aber einfach zu spät, um nochmal genug Zeit aufzuholen - und so kam es, dass ich mit einer Zeit von 1:50:07 über die Zielmatte lief.
Nach kurzer Analyse auf der Uhr habe ich dann auch folgendes festgestellt: Laut der Aufzeichnung bin ich anstatt der Halbmarathon-Norm von 21,1km einfach um 300m "zu weit" gelaufen - sei es aufgrund der Tatsache, dass für die Vermessung natürlich immer der direkteste Weg herangezogen wird, was aber beim Laufen aufgrund anderer Teilnehmer, z.B. beim Überholen, nicht immer möglich ist - oder, dass die Uhr beim GPS-Tracking einfach nicht immer exakt misst.
Beide Tatsachen sind mir selbstverständlich bewusst - deshalb ärgere ich mich weder über die Uhr, noch über irgendetwas anderes - sondern im Grunde nur über mich selbst.
Ende gut - alles gut!
Dennoch muss ich sagen, dass ich mittlerweile stolz auf meine Leistung bin. Durch die Vorgeschichte mit dem Schienbein habe ich im Grunde, wenn ich ehrlich bin, überhaupt nicht damit gerechnet, meinem Ziel so nah zu kommen. Und was sind schon sieben Sekunden! Die hätte ich leicht aufgeholt, wenn ich einfach schneller getrunken oder bei der letzten Labe keine Pause mehr eingelegt hätte. Ich weiß, dass die Zeit unter 1h 50 absolut machbar gewesen wäre, wenn ich mich nicht so sehr auf die Uhr verlassen hätte. Dieser Fehler passiert mir garantiert nicht noch einmal - und im Herbst werde ich in Verona beim dortigen Halbmarathon hoffentlich dann nicht nur ganz knapp, sondern deutlich unterbieten können!
Richtig schnell war außer Mustafe übrigens auch meine Mama, die mit einer Hammer-Zeit von 1h 33 min nicht nur ihre Altersklasse gewonnen, sondern auch in der Damen-Gesamtwertung den 13. Platz belegt hat.
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Paul (ii) (Samstag, 15 April 2017 16:31)
Hallo Lisa,
sehr kreativ, Dein „Trick“, in einer Art Endlosschleife von 1 bis 20 zu zählen ! Hat Dir sicher geholfen, die übermäßige Fokussierung auf die geplante Schlusszeit etwas in den Hintergrund zu drängen. Bei 20 aufzuhören und nicht z.B. von 21 bis 30 weiterzuzählen, empfiehlt sich wohl deshalb, weil ab 21 plötzlich ein dreisilbiger Rhythmus statt des bis dahin ein- und zweisilbigen sich störend bemerkbar machen würde und damit den angestrebten Abschaltmodus im Hirn konterkarieren würde. Jedenfalls Gratulation zu Deinem trotz Schmerzen und mentaler Vorbehalte erreichten Erfolg!
LG
Paul